André Bossert: «Es müsste drei Tage lang alles zusammenpassen»
Im Vorfeld des Swiss Seniors Open 2019 stand uns Turnierbotschafter André Bossert Red und Antwort». Ein Interview mit dem erfolgreichsten Schweizer Playing Professional mit Siegen auf der European Tour, der Challenge Tour und der Staysure Tour.
Der Auftakt zu Ihrer sechsten Saison auf der Staysure Tour wird Ihnen bestimmt in Erinnerung bleiben – Sie mussten erstmals die Q-School spielen, um für 2019 eine volle Spielberechtigung zu haben. Ist das Leistungsniveau auf der Staysure Tour im letzten Jahr massiv angestiegen?
André Bossert: Das Leistungsniveau ist eindeutig besser geworden, aber zu sagen, dass es «massiv» gestiegen ist, wäre übertrieben. Es sind fünf Spieler neu auf die Staysure Tour bekommen, die das Niveau sicherlich gehoben haben – und die sehr gut spielen. Unter ihnen Philip Price, Garry Orr und Roger Chapman, der Ende Saison 2018 sehr gut gespielt hat. 2019 kommen nochmals einige neue, gute Spieler auf unsere Tour. Für uns «arrivierte» Spieler heisst das jeweils, dass zwei bis drei «Junge» zur Tour stossen, die in der Order of Merit in die Top-10 kommen und dann fürs nächste Jahr entsprechend «Startplätze wegnehmen». Dass ich dieses Jahr erstmals auf die Q-School musste, hat mit diesen «neuen» Spielern aber nichts zu tun – ich habe 2018 einfach nicht gut gespielt.
Das Swiss Seniors Open wurde im vergangenen Jahr erstmals in neuem Format als Alliance-ProAm gespielt. Die Amateure im Feld waren begeistert. Wie sehen Sie als Pro diese Premiere?
André Bossert: Eine Premiere wars für Bad Ragaz, auf der Tour hatten wir das Format schon zuvor, wir Spieler kennen es. Dieses Format wurde damals vom Committee und vom Tourdirektor bewusst initiiert und den Veranstaltern angeboten bzw. empfohlen, weil wir so die Turniere für Sponsoren nochmals attraktiver gestalten können. Rein sportlich gesehen würden wir Pros lieber alle drei Runden unter uns bleiben. Aber es macht auch keinen all zu grossen Unterschied, wenn man in den ersten beiden Runden jeweils zwei Amateure im Flight hat. Ich persönlich hatte in Bad Ragaz letztes Jahr keine Probleme damit. Aber ich muss auch zugeben, dass ich mich in einem normalen ProAm – also am Mittwoch und Donnerstag – anders verhalte als im Alliance-ProAm. Im Alliance bin ich nicht da, um die Amateure zu unterhalten. Weder auf der Runde, noch abends. In Bad Ragaz, wo ich Turnierbotschafter bin, ist mein Zeitplan während des Turniers so dicht, dass ich nach der Alliance-ProAm-Runde nicht noch zwei Stunden mit meinem Amateur-Partner ins Restaurant sitzen und plaudern kann. Ab Freitag bin ich im Turniermodus – ich bin nicht total schweigsam, aber ich plaudere auch nicht so wie am Mittwoch und Donnerstag, sondern bin fokussiert und mittendrin im Turnier. Wie gesagt, in der Schweiz ist es für mich ein bisschen schwieriger, als in einem anderen Land. Ich habe in Bad Ragaz noch ein bisschen mehr los; am Dienstag mache ich eine Clinic für ASGI, dazu zwei Gala-Diners am Mittwoch und Donnerstag, die bis kurz vor Mitternacht dauern. Man ist den ganzen Tag am «Entertainen». Ich denke aber, dass es für die Amateure in meinem Alliance-Flight in Bad Ragaz dennoch ein gutes Erlebnis gewesen ist. Die beiden, die in meinem Flight mitgespielt haben, besuchten mich danach beim British Senior Open. So schlecht kann die Erfahrung nicht gewesen sein, obwohl Vater und Sohn in Bad Ragaz einfach ihr Spiel gespielt haben.
Sie werden beim Alliance-ProAm des Swiss Seniors Open 2018 bestimmt einige der Amateure gekannt und auch mit ihnen gesprochen haben. Wie haben Sie als Tour-Professional diese Amateure im Feld wahrgenommen?
André Bossert: Ich treffe in Bad Ragaz zwar immer eine ganze Reihe von Menschen und im Alliance-ProAm waren auch einige Amateure am Start, die ich kannte, aber wie die sich vor dem Start gefühlt haben, ob da mehr Nervosität vorhanden war, das habe ich nicht mitgekriegt. Ich war im Turniermodus und ich denke, das war den Amateuren, die bei diesem Alliance-ProAm mitspielten, auch bewusst. Sie haben respektiert, dass jeder Pro seine eigene Routine bei der Vorbereitung auf eine Turnierrunde hat. Entsprechend hat mich auch keiner der Amateure im Teilnehmerfeld vor oder nach der Runde angesprochen. Ich habe weder auf der Driving Range noch am Samstagabend bei der Players Party gehört, dass die Amateure am Freitag und Samstag über Nervosität gesprochen hätten – aber ich bin überzeugt, sie waren an diesen beiden Turniertagen nervöser als bei einem normalen Turnier. (lacht) Wobei ich auch sagen darf, die beiden Amateure, die mit mir im Flight spielten, waren sehr selbstsicher.

Das Swiss Seniors Open ist das Turnier auf der Staysure Tour, das am längsten ununterbrochen auf dem gleichen Platz gespielt wird. Welchen Stellenwert hat dieses Turnier bei den Tour-Professionals, jetzt, wo die Tour wieder wächst und wieder neue Turniere in den Kalender kommen?
André Bossert: Das Turnier ist nach wie vor sehr beliebt. Jeder Tour-Professional weiss, dass er in dieser einen Woche in Bad Ragaz sehr verwöhnt wird. Bei diesem Turnier können wir alle sagen, dass wir gut leben – das Essen in Bad Ragaz ist sehr gut, wir werden von Veranstalter und Publikum zuvorkommend behandelt. Es geht auch auf der Tour nicht immer nur darum, wieviel Preisgeld bei einem Turnier im Topf liegt. Sicher ist das Preisgeld mit ein Kriterium, wenn es um die Beliebtheit bei den Teilnehmern geht, aber das Preisgeld ist nicht das einzige Kriterium. Weil die Veranstalter in Bad Ragaz uns Pros jeweils eine grossartige Woche bereiten, bleibt das Turnier auf der Staysure Tour sehr beliebt – und man bekommt fürs Swiss Seniors Open jedes Jahr ein wirklich hochklassiges Teilnehmerfeld.
Auch ohne Antrittsgelder zu bezahlen.
André Bossert: Auf der Staysure Tour sind Antrittsgelder nicht üblich. Ausnahmen bestätigen die Regel, es gibt ein paar wenige Fälle im Jahr, wo Antrittsgelder bezahlt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass Colin Montgomerie «Appearance Money» bekommt, wenn er in Europa aufteet. Vielleicht auch Miguel Angel Jimenez in Spanien. Grundsätzlich bin ich aber überzeugt, dass die Veranstalter des Swiss Seniors Open den richtigen Weg gehen, wenn sie keine Antrittsgelder zahlen, sondern versuchen über ihr Netzwerk Spieler mit grossen Namen nach Bad Ragaz zu bringen.
Sie sind Botschafter des Swiss Seniors Open und Lokalmatador, entsprechend lasten jedes Jahr hohe Erwartungen von Zuschauern, Veranstaltern und wohl auch von Ihnen selbst auf Ihren Schultern. Wie wichtig wäre ein Sieg in Bad Ragaz für Sie selbst?
André Bossert: Ein Sieg in Bad Ragaz wäre cool! Aber man kann einen Sieg nicht programmieren, man kann ihn nicht voraussagen und man kann ihn auch nicht erzwingen – als Spieler gibt man bei jedem Turnier alles. Immer; egal, wo das Turnier stattfindet. Alles Weitere muss sich ergeben. Was das Swiss Seniors Open betrifft, kann ich zumindest sagen, dass es für mich von Jahr zu Jahr einfacher wird, mit dem Druck und den Erwartungen umzugehen. Konkret: ich komme je länger je besser mit der grossen Aufmerksamkeit zurecht, die man mir in Bad Ragaz von allen Seiten entgegenbringt. Und was die Chancen auf einen Sieg betrifft: Ich kenne den Patz mittlerweile gut und kann ihn auch gut spielen. Es müsste einfach mal Anfang Juli drei Tage lang alles zusammenpassen.
Richtig, den Platz in Bad Ragaz haben Sie zweifellos im Griff: 2015 stellten am Sonntag mit 61 Schlägen den Platzrekord ein, 2018 stehen in den drei Turniertagen 8 Birdies, 45 Pars und nur ein Doppelbogey (am Freitag auf Loch 14) auf Ihrer Scorekarte. Was braucht es, um in Bad Ragaz am Ende ganz vorne zu sein? Glück?
André Bossert: 20 Birdies wären besser! (lacht) Acht Birdies an drei Tagen sind zu wenig – um zu gewinnen, braucht man fünf Birdies pro Runde. Das heisst: mehr Putts versenken. Ich verpasse generell nicht sehr viele Grüns. Aber es reicht nicht, den Ball «in regulation» aufs Grün zu bringen, man muss ihn nahe an die Fahne schlagen und dann den Putt lochen. Das Wetter spielt ebenfalls eine Rolle – je nach Regenmenge der vergangenen Tage sind die Grüns härter oder weicher. Wenn die Grüns konstant und gut sind, dann reagieren sie so, wie man es als Spieler erwartet. Dann sind die Grüns berechenbar und die Voraussetzungen gut, man kan den Ball nahe an die Fahne spielen. Wenn es windet und die Grüns ausgetrocknet und hart sind, wird es sehr schwierig, den Ball nahe an die Fahne zu spielen. Grundsätzlich gehöre ich zu den Spielern, die über eine sehr gute Distanzkontrolle verfügen. Ich kann den Ball gezielt innerhalb von zwei Metern landen lassen. Das funktioniert, wenn die Grüns konstant sind. Ist aber jedes Grün auf dem Platz anders, wird’s schwierig. In Bad Ragaz war dies in den letzten Jahren aber nie der Fall; hier sind die Grüns konstant, da gibt es keine Überraschungen. Vor ein paar Jahren hatten wir allerdings einmal das Problem, dass der Ball nach dem Landen auf dem Grün zu viel Spin angenommen hat – dann wird’s schwierig.
Früher waren die Teilnehmerfelder auf dieser Tour deutlich grösser. Seit 2016 sind die Starterfelder auf 54 Teilnehmer begrenzt. Wird das so bleiben?
André Bossert: Aktuell ist kein grosser Wille erkennbar, das Teilnehmerfeld bei Staysure-Tour-Event wieder auf 72 Spieler zu erhöhen. 2019 wird es also definitiv bei den 54er-Feldern bleiben. Diese Anzahl ist gerade auch für Turniere, die im Alliance-Format ausgetragen werden, ideal. Für die Tour-Verantwortlichen spielen diese Überlegungen eine wichtige Rolle.
Jedes Jahr drängen neue, «junge» Spieler auf Tours der Über-50-Jährigen. 1969 erblickten unter anderem Retief Goosen (US Open 2001 und 2004), Paul Lawrie (The Open 1999), Michael Campell (US Open 2005), Angel Cabrera (US Open 20017, Masters 2009) und Ernie Els (US Open 1994 und 1997, The Open 2002 und 2012) das Licht der Welt, damit werden heuer gleich fünf ehemalige Major-Sieger 50. Spieler, die auch einer jüngeren Fan-Generation ein Begriff sind. Können solche Namen der Staysure Tour zu neuem Glanz und grösserer Popularität verhelfen.
André Bossert: Ich könnte mir vorstellen, dass Paul Lawrie auf der Staysure Tour spielen wird. Diejenigen Neu-Senioren, die in den USA leben, werden aber kaum auf unsere Tour kommen. Die Major-Gewinner sind zudem für die Champions Tour qualifiziert, da ist es naheliegend, dass sie auch bei den Über-50-Jährigen in den USA spielen – erst recht, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt in Amerika haben. Aber man soll nie nie sagen – vielleicht sehen wir Darren Clarke auf der Staysure Tour aufteen..? Sicher ist, dass diese ehemaligen Majors-Sieger der Staysure Tour viel Publizität und Aufmerksamkeit verschaffen würden. Das wäre für unsere Tour sehr wertvoll. Grosse Namen bringen immer etwas. Selbst wenn es nur im eigenen Land ist. Ein gutes Beispiel ist Paul McGinley, der zuletzt häufig auf der Staysure Tour gespielt hat. Er bringt in Kontinentaleuropa vielleicht nicht sooo viele Zuschauer, aber er war einer der Besten – und ein grosser Ryder-Cup-Spieler. In Irland allerdings ist er eine Attraktion, wenn er aufteet. Ähnlich wie Ernie Els, der immer und überall auf der Welt ein Publikumsmagnet ist. Was wir aber generell feststellen dürfen: Wenn ein grosser Spieler 50 wird und auf die Staysure Tour wechselt, wird im jeweiligen Heimatland das Interesse für diese Tour geweckt. Mittlerweile hat Jean van de Velde ein «eigenes» Turnier in Annemasse und der Österreicher Markus Brier «bekommt» eines in Graz.
Wie sehen Sie Ihre eigene Zukunft? Nehmen Sie nochmals einen Anlauf in Richtung US Champions Tour?
André Bossert: Im Moment ist die Champions Tour für mich kein Thema. Der Grund dafür ist mein Körper, respektive der Rücken, der mir Probleme bereitet. Mit den aktuellen Rückenproblemen bleibt die Champions Tour momentan nur ein Traum, der etwas in den Hintergrund rückt. Die Q-School zur Champions Tour ist für mich eher kein Thema mehr. Ich musste vergangenes Jahr feststellen, dass selbst die Top-5 der Q-School nur etwa die Hälfte der Turniere auf der Champions Tour spielen konnten – die andere Hälfte des Turnierkalenders besteht aus Einladungsturnieren, in die man als Q-School-Teilnehmer gar nicht reingkommt. Das ist nicht fair. Wer nur die Hälfte der Turniere spielen darf, hat kaum eine Chance, sich in der Order of Merit in den Top-40 zu klassieren und so die Tourkarte fürs folgende Jahr zu behalten. Ich musste hier einer bitteren Wahrheit ins Auge blicken – und ich bin realistischer geworden, was die Champions Tour betrifft.
Zurück nach Bad Ragaz: Wie hat sich der Platz in den letzten sechs Jahren, seit Sie beim Swiss Seniors Open mitspielen, entwickelt?
André Bossert: Spielerisch hat er sich überhaupt nicht verändert, ästhetisch sind die Spielbahnen 10 und 11 attraktiver geworden. Platzmodifikationen waren meist optischer Natur. Und beim Greenkeeping hat sich einiges getan. Die grösste Veränderung passierte am Rand des Parcours: das neue Clubhaus.
Welche Entwicklungen sehen Sie beim Turnier selbst?
André Bossert: Als ich das erste Mal bei diesem Turnier spielte, hatte ich bereits einen äusserst guten Eindruck von der Organisation und der gesamten Infrastruktur. Mein erster Gedanke war: «Ein Super-Turnier»! Man isst wie Gott in Paris und der Staff verwöhnt uns Spieler. Das Swiss Seniors Open hat ein grossartiges Konzept, das sich nur im Rahmen eines langjährigen Events und treuer Mitarbeiter und Volunteers umsetzen lässt. Beim Turnier selbst gab’s in all den Jahren nur eine einzige grosse Veränderung: der Wechsel zum Alliance-Format. Ansonsten ist bei diesem Turnier aber mehr oder weniger alles gleich geblieben – die beiden grossen ProAms am Mittwoch und Donenrstag mit dem hervorragendem Essen beim ProAm-Dinner. Zudem investiert das Grand Resort Bad Ragaz laufend in die Infrastruktur; bei den Hotels gab’s einige Veränderungen und mit der neuen Sauna-Anlage der Tamina Therme wird das Resort wirklich für jedermann noch attraktiver.
Kann man das Turnier noch besser machen?
André Bossert: Ich denke, es ist schwierig, am Konzept und dessen Umsetzung beim Swiss Seniors Open noch viel zu verbessern. Es ist ein gut durchdachter Event und zudem super organisiert. Chapeau an OK-Präsident Ralph Polligkeit.
Was gefällt Ihnen persönlich besonders gut?
André Bossert: Bei den ProAms am Mittwoch und Donnerstag finde ich die drei Food-Stationen auf dem Platz grossartig – erst die frischen Fruchtsäfte, dann die warme Verpflegung im Halfway-Haus und zuletzt Kaffee und Süssigkeiten an der 14 – das wird nicht nur von den Amateuren, sondern auch von uns Professionals sehr geschätzt. Wenn man diese drei Food-Stationen auch in den kommenden Jahren behalten kann, fände ich das super. Die Food-Stationen während des Swiss Seniors Open auch von Freitag bis Sonntag für uns Spieler offen zu halten, würde uns zwar sehr gefallen, aber das würde nicht so ganz zum Profisport-Image passen. (lacht)