Das André-Bossert-Interview (Teil 1)
«Ein Approach mit Backspin begeistert die Massen»
Mirjam Fassold, Medienchefin des Swiss Seniors Open, traf den 53jährigen Schweizer Playing Professional André Bossert vor dem 21. Swiss Seniors Open zum Interview.
André Bossert, Sie haben im Mai beim ersten Senior Major der Saison mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen gehabt. Was war passiert?
André Bossert: Ich hatte mir eine kleine Rückenverletzung zugezogen, die mich gezwungen hat, meine Vorbereitung aufs erste Major der Saison zu stoppen. Ich habe in den Wochen vor diesem wichtigen Turnier kaum Golf und auch kein Turnier gespielt, sondern mit meinem Medical Team der Schulthess Klinik daran gearbeitet, die Verletzung zu überwinden. Für diese grossartige Unterstützung bin ich sehr dankbar. Ich war zwar körperlich noch nicht 100-prozentig fit, als ich in die Senior PGA Championship gestartet bin, was sich natürlich aufs Spiel ausgewirkt hat. Aber die gute Nachricht: In den beiden Finalrunden habe ich meine Rückenverletzung nicht mehr gespürt und bin in einen guten Rhythmus gekommen. Meine Physis hat sich von Tag zu Tag verbessert, mittlerweile bin ich wieder «voll da».
Sie haben die Finalrunde mit John Daly gespielt. Auch für Sie als Pro ein Erlebnis?
(lacht) Definitiv. Mit Ausnahme des Leader-Flights hatte John Daly am meisten Zuschauer. Die Menschenmassen, die uns über den Platz begleiteten, waren begeistert und haben das auch lautstark kundgetan. Sie haben mitgelebt, geschrieben und gejubelt. Das ist für einen Sportler sehr motivierend. Die Fans haben nicht nur John Daly gefeiert, sondern auch meine guten Schläge bejubelt. Ein Approach mit Backspin begeistert die Massen.
Ihre eigene Leistung in der Finalrunde war dennoch eher durchzogen. Was ist passiert?
An den Fans hat’s nicht gelegen. Ich will auch nicht dem Wetter Schuld geben; in der Mitte der Runde gibt’s einige richtig schwierige Löcher, Wind und Regen haben genau zu dem Zeitpunkt am stärksten getobt, als wir diese Bahnen spielten. Da bin ich ein wenig gestrauchelt. Und, ganz ehrlich, wenn so viele Zuschauer dabei sind, ist man als Spieler enttäuscht, wenn man nicht die guten Schläge zeigen kann, die man zeigen möchte. Da wäre ich kurzzeitig am liebsten in den Büschen verschwunden.


Aber Sie haben sich zurückgekämpft.
Ja, das habe ich zum Glück geschafft. Da ist auch der Spass zurückgekehrt und ich habe wieder mit John Daly geplaudert. (lacht) Er ist ein cooler Typ. Und einer der talentiertesten Spieler überhaupt, hat ein unglaubliches Gefühl für den Ball, auch im kurzen Spiel. Auch wenn er nicht zu den ganz Grossen unseres Sports gehört, sticht er bei jedem Turnier heraus, weil sein Spiel aussergewöhnlich gut ist.
Haben Sie John Daly nach Bad Ragaz eingeladen?
Ich fürchte, der Parcours in Bad Ragaz würde seinem Spiel nicht sehr entgegen kommen. Er und die Zuschauer haben richtig viel Spass, wenn Daly seinen Driver auspacken und draufhauen kann.

Drehen wir die Zeit ein wenig zurück: September 2016. Beim Travis Perkins Masters in Woburn haben Sie – endlich – Ihren ersten Sieg auf der European Senior Tour gefeiert. Wie hat es sich angefühlt, wieder ganz oben zu stehen?
2016 war meine dritte Saison auf der Senior Tour. Wenn man zu einem Turnier antritt, will man gewinnen, aber man kann nicht alles forcieren. Dass ich in Woburn gewinnen konnte, machte mich sehr glücklich und stolz. Es war auch ein wenig befreiend – als Tourspieler arbeitet man ja genau auf solche Momente hin, man will gewinnen.
Der Sieg war deutlich – 4 Schläge Vorsprung. Was hat in Woburn den Ausschlag gegeben, dass Sie das Turnier so souverän zu Ende gespielt und den Sieg geholt haben?
Da haben die Erfahrungen aus den Turnieren zuvor sicher mit hineingespielt. Zwei Monate zuvor war ich in Bad Ragaz als Sieganwärter in die Finalrunde gegangen und dabei sehr ruhig geblieben. Vielleicht zu ruhig. In Bad Ragaz hatte ich mich gut gefühlt, dann machte ich vom Tee ein paar Fehler – und das kostet in Bad Ragaz immer Schläge und damit Positionen im Ranking. Bei der Willow Senior Classic ein paar Wochen später war ich nach zwei Tagen ebenfalls in den Top-5 und versuchte mich in der Finalrunde zu pushen – das hat auch nicht funktioniert. In der Folgewoche in Woburn habe ich dann wohl die goldene Mitte gefunden – und das funktionierte. So klar, wie das Endergebnis aussieht, war die Sache allerdings nicht gewesen. Drei Löcher vor Schluss trennte Ian Woosnam und mich nur ein Schlag. Ich habe auf den letzten neun Löchern aber ein paar entscheidende Up-and-Downs machen können – und die Putts gelocht. Wenn es eng wird um den Sieg, gewinnt derjenige, der auf den letzten Löchern besser puttet. Das war auch in Woburn so.
Man sagt der erste Sieg sei der schwierigste. Wer einmal gewonnen hat, gewinnt auch ein zweites, drittes und viertes Mal. Ist mit diesem Sieg Druck von Ihnen abgefallen? Fühlen Sie sich seit Woburn anders, wenn Sie am ersten Tee stehen?
Was sich in den Monaten seit Woburn für mich selbst geändert hat, ist mein Gefühl bei den ganz grossen Turnieren. Bei der Senior PGA Championship habe ich mich dieses Jahr deutlich wohler gefühlt als früher. Bei Majors ist der Druck immer ein wenig grösser, weil das sportliche Niveau etwas höher ist als während des Jahres. Der Sieg in Woburn hat sicher dazu beigetragen, dass ich nun auch mit mehr Sicherheit bei Majors antrete. Dieses Gefühl der Sicherheit hatte ich auf der European Senior Tour bereits vor Woburn schon gehabt, aber bei Majors war ich bisher doch etwas kribbeliger gewesen. Dieses Vertrauen ins eigene Spiel hat mir letzte Woche bei der Senior PGA Championship auch geholfen, ein gutes Resultat zu erreichen, ohne körperlich topfit zu sein.
Sie haben sich zwischen den Senior-Tour-Events mit der Teilnahme an der Swiss PGA Team Championship und einem Alps Tour-Turnier im Turniermodus gehalten. Wie ist es, mit Konkurrenten am Abschlag zu stehen, die halb so alt sind?
Für mich ist es eine gute Challenge mit jüngeren Pros zu spielen, die den Ball richtig weit schlagen – das motiviert mich, ebenfalls mehr Gas zu geben. Bei der Vorbereitung auf ein Turnier macht es für mich keinen Unterschied, ob ich ein Swiss-PGA-Event oder ein Senior-Tour-Turnier spiele. Um auf der Tour reüssieren zu können, muss man in den Turnier-Rhythmus kommen. Das schafft man nicht, wenn man alleine oder mit Freunden auf die Runde geht. Ohne diese Turniere wäre ich nicht parat für die Senior Tour.
Woran werden Sie bis zum Swiss Seniors Open im Juli noch arbeiten?
Im technischen Bereich habe ich in der Vorbereitung auf die Saison bereits alles gemacht, was ich mir vorgenommen habe; jetzt ist die Zeit gekommen, die Früchte der Arbeit zu ernten. So wie letzte Woche, wo ich ein paar wirklich gute Lob-Shots gemacht habe und von meinen Mitspielern John Daly und Joey Sindelar gelobt worden bin. Es hat drei Jahre gebraucht, bis sich die Änderungen im Kurzspiel in guten Resultaten niederschlagen. In den nächsten Wochen werde ich etwas mehr spielen und an Feinheiten arbeiten – Fades, Draws, verschiedene Lagen.



In Bad Ragaz haben Sie in den vergangenen beiden Jahren jeweils zwei tolle Runden gezeigt, die auf einen Heimsieg hoffen liessen. 2016 schossen Sie sich am Finaltag mit einer 74 aus der Entscheidung, 2015 beraubten Sie sich mit einer 73 am Samstag aller Siegchancen und stellen am Sonntag mit 61 Schlägen den Platzrekord ein. Welche Vorkehrungen treffen Sie, damit 2017 erst der Montag ihr schlechter Golftag sein wird?
(lacht) Oje, das ist einfach Golf. Diese Turniere sind Geschichte. Es wäre aber schön, wenn ich 2017 die guten Runden wiederholen könnte. Meine Vorbereitung auf die Saison passte, und der Schwung wird im Juli hoffentlich dort sein, wo er sein sollte. Ich werde direkt aus den USA kommen – und, wenn ich den Cut bei der US Senior Open schaffe, eine anstrengende Woche hinter mir haben. Der Vorteil: Dann bin ich im Turnierrhytmus und auch im Spiel. In Bad Ragaz ist es wichtig, die Fairways zu treffen und mit den kurzen Eisen präzise Schläge zu machen. Daran arbeite ich fortlaufend. Im Hinblick auf diese Saison habe ich die grössten Fortschritte beim Putten gemacht. Zusammen mit meinem Coach Paul Dougan habe ich im Training mein Putting analysiert – die Daten sprechen eine klare Sprache. Letzte Woche bei der Senior PGA Championship hat es sich ausgezahlt. Aufgrund meiner Verletzung habe ich zwar im langen Spiel mehr Fehler gemacht als normal, dann aber mehrere Putts aus fünf bis sechs Metern gelocht.
Sie werden im Juli zum vierten Mal beim Swiss Seniors Open am Start sein. Wie hat sich das Turnier seit Ihrem ersten Antreten entwickelt?
Schon als ich das erste Mal teilgenommen habe, war dies eines der bestorganisierten Turniere auf der Senior Tour. Seit ich Botschafter dieses Turniers bin, gebe dem OK-Präsidenten kleine Inputs – aber viel kann man beim Swiss Seniors Open nicht verbessern, es sind wirklich nur Kleinigkeiten. Die grösste Änderung werden wir dieses Jahr wohl durch das neue Clubhaus und die umgebauten Bahnen 10 und 11 erfahren.
André Bossert, wir danken für das Interview und wünschen viel Erfolg beim 21. Swiss Seniors Open!
(Fortsetzung folgt)