Golf braucht jeden Muskel – und diese brauchen Energie
VON MIRJAM FASSOLD (in ähnlicher Form erschienen im Magazin Perfect Eagle 03/2016)
Tiger Woods hat es vorgemacht, mittlerweile setzen alle Top-Golfer auf Fitness. Auch die Damen. Und selbst die Senioren. Die Schweizer Playing Professionals Fabienne In-Albon (Ladies European Tour) und André Bossert (European Senior Tour) im Gespräch über Krafttraining und Power-Riegel.
Was sagen Sie als Pro, wie wichtig ist Fitness im Golfsport?
Fabienne In-Albon: Schaut man sich die besten Spieler auf der Herren- sowie der Frauentour an, sieht man Topathleten – ohne intensives physisches Training schafft man es heute nicht mehr an die Spitze. Fitness ist wichtig um Verletzungen vorzubeugen und mehr Stabilität im Schwung und dadurch mehr Länge und Konstanz zu gewinnen. Golfer stehen vier Tage in Folge jeweils viereinhalb Stunden auf dem Platz und müssen während dieser Zeit eine enorme mentale Stärke beweisen – das ist ohne gute körperliche Verfassung nicht möglich.
André Bossert: Wenn man den Ball gut schlagen will, braucht es Fitness. Ich kenne niemanden auf der Tour, der nichts macht; zumindest Stabilisierung und Dehnen macht jeder.


Wieviel Zeit investieren Sie in der Vorbereitungsphase ins Fitness-Training?
Bossert: Ziemlich viel. 1997 hatte ich eine Rückenverletzung, die mich zwei Jahre vom Golf ferngehalten hat. Mittlerweile habe ich eine geglückte Operation hinter mir, doch eine Schwäche im unteren Rücken ist geblieben. Deshalb gehe ich zu Hause jeden zweiten Tag ins Fitness-Center und mache täglich Dehnungsübungen – das gehört für mich dazu wie Zähneputzen. Mein Warm-Up vor dem Training oder einer Runde dauert 20 bis 30 Minuten, manch einer würde das bereits als Fitness-Session bezeichnen.
In-Albon: In der Vorbereitungsphase bin ich fünf- bis sechsmal pro Woche im Fitness-Center, wo ich mit meinem Fitnesstrainer Alex Brooker an verschiedenen Bereichen wie Kraft, Ausdauer, Schnellkraft, Rumpfstabilität sowie Flexibilität arbeite.
Welche Muskeln gilt es als Golfer besonders zu stärken?
Bossert: Beim Golf braucht man jeden Muskel! Die für die Stabilität wichtigsten sind in den Beinen, im Po und Rumpfbereich – sprich Bauch, Rücken, Hüfte – zu finden. Auch der hintere Rücken und der obere Brustmuskel sind im Schwung aktiv. Am Ende brauche ich aber auch meine Arme und Handgelenke – es gibt deshalb keinen Muskel, den ich im Winter nicht trainiere.
Gibt es ein frauenspezifische Golf-Fitness-Training?
In-Albon: Viele Frauen haben Angst, grosse Gewichte zu stemmen oder zu viel Muskelmasse zu entwickeln. Dabei ist Kraftraining sehr wichtig, weil man dadurch seinen Körper besser kennenlernt und ein besseres Körpergefühl entwickelt. Ebenso wichtig ist es den eigenen Zyklus sowie die Reaktion auf dessen verschiedene Phasen zu verstehen.
Wie schaut das bei den Senioren aus? Trainieren Sie mit gut 50 anders als mit 20?
Bossert: (lacht) Mit 20 habe ich kaum Fitnesstraining gemacht, einzig Brust und Bizeps trainiert, um am Strand gut auszusehen. Damals fehlte schlicht das Wissen.
Was ist mit «50 Plus» besonders wichtig?
Bossert: Die Gelenke sind etwas abgenutzt und müssen geschont werden, dafür müssen die Muskeln rundherum stark sein. Ausserdem nimmt die Beweglichkeit ab – Training hilft, mobil, flexibel und stark zu bleiben.
Haben Sie eine spezifische Morgengymnastik, die Sie jeden Tag ausführen?
In-Albon: Wie bei André ist auch bei mir der Rücken die Schwachstelle, deshalb absolviere ich kurz nach dem Aufstehen jeweils einige Übungen, um den Rücken zu lockern. Zuvor aber rolle ich meinen ganzen Körper mit dem Foam Roller, um die Muskeln zu aktivieren. Das Ganze dauert etwa zehn Minuten. Nach dem Frühstück und vor dem Training folgt das 15-minütige Warm-up, das immer gleich abläuft, egal, ob ich ins Gym gehe oder auf den Golfplatz.
Bossert: Das halte ich ebenso – das Warm-Up läuft immer gleich ab. Und da ich täglich eine Sporteinheit absolviere, ersetzt es für mich die klassische Morgengymnastik.
Wie organisiert man sich während Reisen das Fitnesstraining?
In-Albon: Ich habe mein «eigenes Gym» dabei: Tools wie TRX, Bands, Spikeyball und Foam Roller sind immer im Gepäck. So kann ich überall ein Training absolvieren.
Bossert: Dito. Ich habe ein kleines rotes Säckchen mit dem Wichtigsten dabei. Unter anderem zwei Tennisbälle, die ich in eine Socke gestopft habe. Diese nutze ich, um die Rückenmuskulatur zu mobilisieren und zu massieren. Ausserdem habe ich auch TRX, drei Gummibänder und einen Schlauch mit zwei Griffen sowie seit dieser Saison ein Compex-Gerät dabei, diese Maschine aktiviert und massiert die Muskeln und hat eine schmerzhemmende Funktion. Komfortabler ist’s auf der US Champions Tour, dort reisen zwei riesige Trucks mit – einer mit Fitness-Center, der zweite mit Physiotherapie-Angebot. Da kann man nach der Runde, wenn man noch warm ist, ein paar Übungen machen. In Europa suche ich mir Hotels mit Fitnessraum – und notfalls bin ich gut im Adaptieren von Übungen, so dass ich mit dem eigenen Körpergewicht trainieren kann.
Wie wichtig sind regelmässige Massagen oder Besuche beim Physiotherapeuten?
Bossert: Golf ist eine einseitige Bewegung, deshalb gehe ich zu Hause zweimal pro Woche zur Physiotherapie oder Massage. Auf der Senior Tour reist eine irische Physiotherapeutin mit, die 75 Minuten vor der ersten Startzeit bis eine Stunde nach dem Eintreffen des letzten Flights zur Verfügung steht. Während eines Turniers gehe ich täglich bei ihr vorbei. Sie bringt meine Muskeln nach dem Spiel wieder «runter». Bezahlt wird die Physiotherapeutin von der European Tour.
In-Albon: Das sieht auf der Damentour leider anders aus. Zwar reisen auch bei uns zwei Phyisotherapeuten mit, aber wir müssen deren Dienste selbst bezahlen. Das geht ins Geld, trotzdem gehe ich pro Turnierwoche mindestens einmal beim Tour-Phyiso vorbei – wenn es «zwickt» zur Behandlung der betroffenen Stelle, sonst für eine Massage. Zuhause gehe ich regelmässig zur Massage und zum Osteopathen.
Welchen Einfluss hat die Ernährung auf die Performance am Golfplatz?
In-Albon: Bei mir hat sie sehr grossen Einfluss. Es ist sehr wichtig herauszufinden, welche Nahrungsmittel dem Körper Höchstleistungen ermöglichen und welche eher hemmend wirken. Ich habe in den letzten Jahren gelernt, was meinem Körper gut tut. Aufgrund einer Allergie ernähre ich mich zudem seit gut sieben Jahren glutenfrei.
Bossert: Bei mir ist das unproblematisch, ich achte aber auf eine ausgewogene Ernährung.
In-Albon: Genau, gesund und ausgewogen muss die Ernährung sein, viel Protein, gute Fette sowie leicht verdauliche Kohlenhydrate enthalten. Zucker versuche ich zu vermeiden, da er meine Leistungsfähigkeit hemmt. Und ich trinke keinen Alkohol.
Was frühstücken Sie, wenn Sie beim Turnier eine Startzeit am Vormittag haben?
In-Albon: Während Turnieren frühstücke ich immer das gleiche: glutenfreie Haferflocken mit heissem Wasser angemacht, dazu Früchte, Nüsse und Chia-Samen. Danach gibt es ein Rührei sowie schwarzen Kaffee.
Bossert: Ich bin flexibel, schaue, was es im Hotel gibt. Ich weiss, welche Lebensmittel Eiweiss und welche Kohlenhydrate enthalten, entsprechend stelle ich mir einen guten Mix zusammen: Joghurt, Eier, frische Früchte, Müesli. Dazu trinke ich Wasser.
Und wenn Sie erst am Nachmittag ins Turniergeschehen eingreifen?
Bossert: Wenn ich um 13 Uhr abschlage, esse ich Frühstück und einen Light-Lunch. Grundsätzlich esse ich vor dem Spielen nicht viel.
In-Albon: Das halte ich auch so. Wenn ich «richtig» Mittag esse, braucht mein Körper viel zu lange, um wieder auf Touren zu kommen, deshalb gibt es bei mir ein zweites Frühstück. Ich mache mir ein Müesli aus Joghurt, Früchten, Nüssen, Chia-Samen und etwas Honig. Dazu gibt es Reiswaffeln und Wasser.


Was essen Sie auf der Runde?
In-Albon: Da habe ich eine strikte Routine: An Loch 6, 9, 12 und 15 esse ich jeweils einen Viertel eines Multipower-50%-Protein-Riegels, an Loch 10 gönne ich mir einen Guarana-Shot von Multipower. Daneben habe ich immer einen Multicarbo-Riegel im Bag, der im Bedarfsfall sehr schnell Energie liefert. Zudem trinke ich Wasser und 7,5 Deziliter Iso-Drink.
Bossert: Wasser ist für mich das Wichtigste, es verhindert das Dehydrieren des Körpers. Je nach klimatischen Bedingungen trinke ich einen bis zwei Liter pro Runde. Im Sommer mische ich mir gerne einen elektrolytischen Kohlenhydrate-Drink von WinForce, der dem Körper die Stoffe zuführt, die er beim Schwitzen verliert. Das Pulver ist in kleine Säckchen abgepackt, die ich problemlos im Bag mitführen kann. Ausserdem habe ich immer verschiedene Nüsse und getrocknete Preiselbeeren dabei – sie liefern Proteine und enthalten lebenswichtige Öle. Ab und zu esse ich auch eine Frucht, achte aber darauf, dass diese einen tiefen glykämischen Index hat, so dass der Zucker langsamer abgebaut wird und das Energieniveau länger konstant bleibt.
In-Albon: Das ist ganz wichtig. Oft sehe ich Amateure, die nach neun Löchern ein Sandwich essen und sich dann fragen, weshalb sie auf den Zweiten Neun schlecht spielen. Ein Sandwich ist sehr schwer verdaulich, entsprechend lange dauert es, bis der Körper das Gegessene in Energie umwandeln kann.
Wird das Thema Ernährung mit zunehmendem Alter wichtiger?
Bossert: Viele Menschen in meinem Alter haben Gewichtsprobleme und merken, dass sie handeln müssen. Unsere Generation war sich früher nicht bewusst, wie wichtig Ernährung und Fitness sind. Hier hat ein Umdenken stattgefunden. Immer mehr Senior Pros trainieren richtig und achten auf die Ernährung. Der ehemalige European-Tour-Gesamtsieger Ronan Rafferty beispielsweise spielt seit drei Jahren auf der Seniorentour – letztes Jahr hat er eine spezielle Diät begonnen und arbeitet seither mit einem Fitness-Trainer zusammen.