Jean-François Remésy: «Der Schlüssel zum Erfolg ist auch der Schlüssel zum Glück»

Grosses Golf und grosse Emotionen, das bot Jean-François Remésy beim Swiss Seniors Open 2018. Im Interview «serviert» der Titelverteidiger kurz vor Turnierstart 2019 zudem spannende Geschichten aus seiner erfolgreichen Karriere auf der European Tour. Ein charmant-unterhaltsames Gespräch mit Esprit und Witz.

Herr Remésy, Zuschauer, Helfer und das Organisations-Komitee – alle erinnern sich bestens an den sehr emotionalen Moment nach Ihrem Siegesputt beim Swiss Seniors Open 2018. Wie waren Ihre Gefühle in diesem speziellen Moment? Welche Gedanken sind Ihnen zuvor, sprich auf der Runde, durch den Kopf gegangen?

Jean-François Remésy: Oh ja, es war ein wirklich sehr, sehr emotionaler Moment. Meine Reaktion nach dem Siegesputt war sehr spontan, keine meiner Gesten war überlegt gewesen. Vor dem letzten Putt war ich komplett darauf fokussiert, «im Moment zu bleiben». Ich wollte einzig und allein mein Bestes geben. Vor dem Swiss Seniors Open hatte ich zuletzt 2009 ein Turnier gewinnen können. Neun Jahre sind eine lange Zeit ohne Erfolgserlebnis. Der Sieg in Bad Ragaz war ein magischer Moment, es war für mich eine Art Erlösung. Auch, dass mir dieser Titelgewinn ausgerechnet in Bad Ragaz gelungen ist, war für mich sehr speziell. Das Swiss Seniors Open ist eines der wundervollsten Turniere im Staysure-Tour-Kalender, wir Spieler werden vom Club, seinen Mitgliedern und allen am Turnier Beteiligten jeweils besonders herzlich willkommen geheissen –  das Swiss Seniors Open ist für uns Spieler eine wirklich fantastische Woche.

2018 war Ihre fünfte Saison auf der Staysure Tour, der Titel in Bad Ragaz ist Ihr erster bei den Ü-50-Professionals. Wie wichtig war dieser Sieg für Sie und Ihre weitere Karriere?

Jean-François Remésy: Ich war seit meinem 50. Geburtstag nicht wirklich oft in einer Position, um den Turniersieg mitspielen zu können. Die US Senior PGA Championship 2015, die ich in der Finalrunde verspielte, war die grosse Ausnahme gewesen. Als ich letztes Jahr in Bad Ragaz nach zwei Tagen wieder in einer solch aussichtsreichen Position lag, war die Frage, wie ich gewinnen kann, nicht das Schwierigste. Die grösste Herausforderung war es in der Schlussrunde den Parcours und mich selbst zu beherrschen. In Bad Ragaz habe ich am Sonntag gespürt, dass der Wettkämpfer in mir voll da ist. Das war ein grossartiges Gefühl! Ich wusste, dass ich jetzt endlich wieder in der Lage sein würde, ein Turnier zu gewinnen. In jenem Moment kehrten Freude und Vergnügen zurück.

Eine Woche später wurden Sie in Deutschland Zweiter. Sie hatten im Juli 2018 einen «Run», richtig?

Jean-François Remésy: Richtig. (lacht) Ich surfte auf einer Erfolgswelle, die nicht stoppte. Das war toll. Ich war happy mit meinem Spiel, fühlte mich auf dem Golfplatz rundum gut, mein Körper war voller positiver Energie. Der Schlüssel zum Erfolg liegt wohl darin, dass man liebt, was man macht. Das ist übrigens auch der Schlüssel zum Glück – und dafür, sich in seinem Leben wohl zu fühlen.

Beide Turniere, Bad Ragaz und Deutschland, werden als Alliance-ProAm gespielt. Mögen Sie dieses Format?

Jean-François Remésy: Ich liebe Wettkampfgolf. Ich teile aber auch gerne meine Erfahrung auf dem Golfplatz und mein Wissen über Golftechnik mit Amateuren. Das Alliance-ProAm-Format verbindet beides und beschert Amateuren wie Professionals wertvolle Erfahrungen. Auch meine Kollegen auf der Staysure Tour mögen dieses Format, nicht zuletzt, weil sich dadurch immer wieder interessante Kontakte zu Partnern und Sponsoren ergeben. Ich denke, auch für die Amateure ist es eine gute Erfahrung, wenn sie mit einem freundlichen und zugänglichen Tour-Pro im Team spielen können. Wir Professionals geben uns jedenfalls alle Mühe, so rüberzukommen, denn wir wollen unseren Alliance-ProAm-Partnern ein gutes Erlebnis zu vermitteln.

Was war – neben der Liebe zu ihrem Job – 2018 Ihr Schlüssel zum Erfolg, Ihr Schlüssel zum Sieg in Bad Ragaz?

Jean-François Remésy: Geduld. Ich konnte den Fokus auf mein Spiel und nicht auf das Resultat legen und hatte die emotionalen Aspekte des Golfspiels unter Kontrolle.

Sie sind knapp 55 Jahre alt, jedes Jahr drängen «jüngere» Senioren auf die Staysure Tour. Wie hart müssen Sie an Ihrer Fitness und an Ihrem Golfschwung arbeiten, um konkurrenzfähig zu bleiben?

Jean-François Remésy: Ich versuche, mühelos zu schwingen. Zudem arbeite ich laufend daran, meinen Schwung technisch auf einem Level zu halten, der es mir erlaubt noch viele schöne Jahre auf dem Golfplatz zu erleben. Ansonsten mache ich sehr viel Stretching und Yoga, um geschmeidig und beweglich zu bleiben sowie meine Kraft und Flexibilität zu behalten. Ich jogge auch, ohne mich aber zu etwas zu zwingen. Ich bin in der glücklichen Situation sagen zu dürfen, ohne körperliche Probleme durch die Saison zu kommen. Was in unserem Alter sicher keine Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr ein Glück ist.

Der Titelverteidiger

Sie kommen als Titelverteidiger nach Bad Ragaz zurück. Wie fühlen Sie sich in dieser Rolle?

Jean-François Remésy: Ich freue mich, in dieser Rolle hier zu sein. André Zillig ist erneut als mein Caddie dabei. Er war bei meinem Sieg im letzten Jahr in Bad Ragaz an meinem Bag; während des Swiss Seniors Open 2018 ist eine Freundschaft zwischen uns gewachsen. André kam im letzten Herbst auch nach Paris, um mich als Caddie zu unterstützen – wir wurden Zweite. Das ist doch keine schlechte Ausbeute, oder? (lacht)

Welche Erwartungen haben Sie für das Swiss Seniors Open 2019?

Jean-François Remésy: Natürlich möchte ich nochmals gewinnen, den Titel erfolgreich verteidigen – so, wie ich das 2004 und 2005 bei der Open de France getan habe. Das wäre wirklich, wirklich cool! (lacht)

 


 

Wie gefällt Ihnen der Parcours in Bad Ragaz?

Jean-François Remésy: Es ist kein langer Platz, aber jede Spielbahn ist von Bäumen gesäumt und es gibt sehr viele Doglegs. In Bad Ragaz muss man den Ball auf den Fairways halten. Immer! Ich mag es, den Ball vom Abschlag zu «shapen», ihn mit einer Kurve fliegen zu lassen; in dieser Hinsicht passt der Parcours von Bad Ragaz gut zu meinem Spiel. Eine weitere Herausforderung in Bad Ragaz ist die Distanzkontrolle mit den Eisen – wenn der Wind bläst, ist das nicht so einfach.

Sie sind einer der wenigen Spieler, die auf der European Tour, der Challenge Tour und nun auch auf der Staysure Tour gewinnen konnten. Was bedeutet das für Sie?

Jean-François Remésy: Das ist ein grossartiges Gefühl – und ich möchte auch noch in der nächsten Tour-Kategorie gewinnen... Ooops, die nächste Kategorie gibt’s gar nicht. (lacht) Nun, in diesem Fall werde ich eben versuchen auf der Staysure Tour so viele Turniere wie möglich zu gewinnen und meinen eigenen Rekord zu brechen – das hiesse vier Siege auf der Staysure Tour, um meine drei Siege auf der European Tour zu übertrumpfen. Die nationalen Turniere in Frankreich – dort habe ich zehnmal gewinnen können – zähle ich jetzt nicht mit. (grinst)

Auf der Internet-Seite der European Tour steht zu lesen, dass Sie im Wallis, konkret in Martigny, leben – das Swiss Seniors Open ist also für Sie so etwas wie ein Heimturnier. Fühlt es sich für Sie in Bad Ragaz auch so an?

Jean-François Remésy: Ich habe sieben Jahre lang in Martigny gelebt und die Zeit dort wirklich sehr genossen. Das war in einer Lebensphase, als ich auf der European Tour spielte und meine Turniersaison sehr lang gewesen ist. Ich war im Winter also nicht all lange zu Hause. Auf der Staysure Tour gibt es im Winter nicht so viele Turniere, deshalb bin ich nach Marbella gezogen; dort sind die Winter milder. Relativ warme Temperaturen und Sonne machen das Golftraining einfacher und angenehmer.

2016 und 2017 haben Sie nicht all zu viele Turniere auf der Staysure Tour gespielt, was war der Grund dafür?

Jean-François Remésy: 2016 habe ich mich auf die amerikanische PGA Champions Tour konzentriert. Es gab Höhen und Tiefen und auf jeden Fall auch grossartige Erfahrungen – ich konnte dort nämlich einige Spieler «abtrocknen», die mich zu Beginn meiner Karriere haben träumen lassen. (lacht) Mein bestes Resultat auf der Champions Tour  war ein vierter Platz – bis fünf Löcher vor Schluss hatte ich sogar geführt, dann aber den Faden verloren. 2017 war kein glückliches Jahr, ich hatte mir dummerweise eine schwere Fraktur an einem Finger meiner rechten Hand zugezogen. Es dauerte fünf Monate, bis dieser Bruch komplett verheilt war. Meine Saison war dementsprechend… Kurz gesagt, sie war katastrophal! Ich fürchtete wirklich, das wäre das Ende meiner Karriere. Zum Glück konnte ich zurückkommen und 2018 eine sehr gute Saison spielen.

2004 und 2005 siegten Sie bei der Open de France im Golf National in Paris. Das muss für einen französischen Golfer schlicht das Grösste sein. Erinnern Sie sich noch an Ihre Gefühle bei Ihrem ersten Sieg an der Open de France 2004?

Jean-François Remésy: Als ich im Juli 2004 in Paris ankam um die Open de France zu spielen, war ich sehr gut in Form, hatte zuvor längere Zeit sehr gut gespielt und mehrere Top-10-Klassierungen zu Buche stehen, ich strotzte vor Selbstvertrauen. Der Parcours im Golf National war sehr, sehr schwierig. Dass es für mich immer besonders wichtig war und ist, in Frankreich zu spielen, brauche ich wohl nicht zu betonen. Es war immer mein Ziel, zu Hause zu gewinnen – ich hatte immer von einem Sieg bei der Open de France geträumt. Das Gefühl, als dieser Traum 2004 in Erfüllung gegangen ist, kann ich nach wie vor nicht beschreiben. Dieser Heimsieg war umso spezieller, da in den 35 Jahren davor kein Franzose die Open de France hatte gewinnen können. Wenn ich heute Bilder von jenem Sieg sehe, glaube ich noch immer zu träume – ein solch wunderschönes Szenario hätte ich mir nie vorstellen können. Es war magisch.

Ein Jahr später den Titel erfolgreich zu verteidigen und die Open de France ein zweites Mal in Folge zu gewinnen, war das dann noch besser?

Jean-François Remésy: Natürlich wollte ich 2005 erneut gewinnen und einen Back-to-Back-Sieg landen! (lacht) Es war eigentlich utopisch, aber ich spürte, dass ich das schaffen kann. All meine Gedanken waren auf dieses eine Ziel fokussiert. Als die erfolgreiche Titelverteidigung feststand, hätte ich meine Karriere beenden können, denn dieser Sieg war wie die Vollendung eines grossen Ganzen. (lacht) Noch heute frage ich mich, wie ich die Energie aufbringen konnte, diesen zweiten Sieg zu erringen. Bei jedem Sieg, jeder grossartigen Leistung fühle ich zugleich grosse Kraft und Demut.

Für Frankreichs Golf-Familie sind Sie ein Held. Hatten Sie eine offizielle Aufgabe beim Ryder Cup letzten Herbst in Paris?

Jean-François Remésy: (lacht) Stimmt, für Frankreichs Golf-Fans war ich damals ein Held. Ich denke, für meine Freunde und all die Menschen, die 2004 und 2005 in Paris dabei gewesen sind, werde ich es wohl auch für immer bleiben. Damit hat es sich aber auch schon; zu meinem grossen Bedauern sieht man das beim Französischen Golf Verband anders... Das beantwortet auch die Frage nach einer offiziellen Aufgabe beim Ryder Cup. Ich war weder zur 100. Open de France noch zum Ryder Cup 2018 eingeladen. Es ist, wie es ist – mein Leben geht weiter. Zum Ryder Cup 2018 möchte ich dennoch gerne etwas sagen: Er war ein grosser Erfolg und ich hatte zu Hause in Spanien am TV-Bildschirm wirklich viel Spass beim Zuschauen. In jenen Stunden ist mir aber auch klar geworden: Wenn ich in den Golf National nach Paris fahre, dann, um dort auch Golf zu spielen. (schmunzelt)

 

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