Die Fachwelt ist sich einig. Michael Campbell, geboren im Februar 1969, hätte in seiner Karriere mit seiner enormen Begabung noch viel mehr erreichen können. Dennoch hat der Golfer mit Maori-Abstammung ein Majorturnier gewonnen, die US Open 2005 auf «Pinehurst No. 2» in North Carolina. Campbell gehört zu den Spielern, die verhindert haben, dass Tiger Woods heute «nur» 15 und nicht 16 Titel im Palmarès hat.

Mit Tiger Woods war damals, im Juni 2005, nicht gut Kirschen essen. Nach einer dreijährigen Durststrecke ohne Sieg an einem der vier Turniere auf Grand-Slam-Stufe war er wieder so bissig, wie er es vorher gewesen war. Er gewann im April 2005 zum vierten Mal das US Masters, und im Juli des gleichen Jahres triumphierte er bei der British Open auf dem Old Course von St. Andrews – an jenem unvergesslichen Turnier, an dem Jack Nicklaus von den Fairways und Greens Abschied nahm und an dem ein gewisser André Bossert die Schweizer Fahne hochhielt.

Kurz: Auf «Pinehurst No. 2» war Tiger Woods äusserst schwer zu schlagen. Tatsächlich spielte er so grossartig auf, dass ein weiterer grosser Titel hätte herausschauen müssen. Und so brauchte es einen Spieler in schierer Superform, um den Tiger in die Schranken zu weisen. Dieser Spieler war Michael Campbell, damals 36 Jahre alt.

Die Schlussrunde auf dem ultraschwierigen Platz, auf dem Payne Stewart 1999, vier Monate vor dem tödlichen Flugzeugabsturz, die US Open gewonnen hatte, verlief dramatisch. Retief Goosen, klarer Leader nach drei Runden, fiel weit zurück. Woods startete am Finaltag mit 69 Schlägen einen Angriff. Einzig Michael Campbell hielt Stand. Der Neuseeländer spielte ebenfalls eine 69 und brachte seinen Vorsprung von zwei Schlägen, den er auf die Schlussrunde genommen hatte, ins Ziel. Es war eine Ausmarchung auf dem höchsten Niveau. Nach dem in Bad Ragaz bestens bekannten Sir Bob Charles war Michael Campbell, den sie «Cambo» nennen, der zweite neuseeländische Gewinner eines Majors.

Zu gern hätte man Michael Campbell in den späteren Jahren noch öfter so aufspielen sehen. Aber ähnliche Erfolge blieben aus. Weshalb? Viele sagen ihm eine gewisse Trainingsfaulheit nach. Campbell ist gesellig und nahbar, das stimmt. Vielleicht erweckt er mit diesem Naturell einen falschen Eindruck. Schon in den Neunzigerjahren wurde er Vater zweier Söhne. Er ist seit 26 Jahren mit Julie Campbell verheiratet und ein ausgesprochener Familienmensch, kein Eigenbrötler. Als er bereits in keiner Spielerkategorie der European Tour mehr geführt wurde, war Campbell immer noch ein willkommener Gast an den Turnieren; es ist für jedes Turnier chic, einen Majorturnier-Gewinner zu präsentieren – erst recht einen, der Tiger Woods auf den 2. Platz verweisen konnte.

Die Zuschauer können sich im Juli 2022 auf den erstmaligen Auftritt von Michael Campbell in Bad Ragaz freuen. Und sie können ganz sicher sein, dass er sie nicht verscheuchen wird, wenn sie ihn über die Fairways begleiten wollen.

 

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