Drei lange Jahre bis zur Titelverteidigung

Bad Ragaz war 2019 wieder Schauplatz eines eindrücklichen und sehr emotionsgeladenen Comebacks – der Argentinier José Coceres siegte nach 18 Jahren wieder bei einem internationalen Tour-Event. Das Tüpfelchen auf dem «I» war für den Familienmenschen Coceres, seinen Sohn Marcos als Caddie am Bag zu haben – und vom Publikum wie ein Einheimischer gefeiert zu werden. Nun kann es der 58-Jährige kaum erwarten, in die Schweiz zu reisen und nach knapp drei Jahren seinen Titel zu verteidigen.

Beim Swiss Seniors Open 2019 hatte Petrus die Regie übernommen – am Samstagnachmittag schickte er einen Gewittersturm, dessen gewaltige Kräfte am alten Baumbestand zehrten und Spieler wie Zuschauer ins Clubhaus flüchten liess. Am Finaltag dann zogen just zu dem Zeitpunkt, als die letzte Dreiergruppe auf die Schlussbahn kam, dicke schwarze Wolken über Bad Ragaz auf. Binnen weniger Minuten – die letzte Partie war eben auf dem Grün eingetroffen – fielen die ersten dicken Regentropfen. Die als Co-Leader in die Finalrunde gestarteten Andrew Oldcorn (am Ende auf Rang 7) und Peter O’Malley (am Ende geteilter Zweiter) putteten ein und verfolgten, wie der Argentinier José Coceres den letzten Ball des Turniers zu einer bogeyfreien 66 und damit zum Sieg versenkte. Danach ging’s für alle im Laufschritt in Richtung Clubhaus – Petrus öffnete die Schleusen komplett.

Bei der anschliessenden Siegerehrung im wettergeschützten Clubhaus wurde der frischgebackene Swiss-Seniors-Open-Champion von den Emotionen überwältigt. Es war nicht der erste internationale Turniersieg des Argentiniers, aber der erste nach einer sehr langen Durststrecke – und damit für den Südamerikaner auf einer Stufe mit seinen beiden PGA-Tour-Titeln aus dem Jahr 2001. José Coceres, der als eines von elf Kindern in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, arbeitete als Caddie und brachte sich das Golfspiel selbst bei. 1986 wurde er Playing Professional, 1990 qualifizierte er sich über die Q-School für die European Tour, auf der er 1994 und 2000 zwei Turniere gewinnen konnte. 2001 der Wechsel auf die US-amerikanische PGA Tour, wo er in seiner ersten Saison zwar sieben Cuts verpasste, aber auch zwei Turniere gewinnen konnte. Das brachte Coceres damals in die Top-20 der Weltrangliste – und er erhielt in der Heimat den Titel «Olimpia de Oro» (Argentiniens Sportler des Jahres) verliehen. Vor dem Saisonstart 2002 brach sich Coceres den Arm, die Verletzung stoppte seine Karriere jäh. Zwar stand er 2007 bei zwei PGA-Tour-Events im Play-Off um den Turniersieg, doch ein weiterer Titelgewinn blieb ihm verwehrt.

José Coceres, Sie feierten 2019 in Bad Ragaz Ihren ersten Sieg auf der Legends Tour. Wie wichtig ist dieser Sieg für Ihre Karriere?
José Coceres: Sehr wichtig – endlich mal wieder ein Sieg ausserhalb Argentiniens, ein Sieg in Europa, und auch deshalb sehr besonders, weil ich ihn gemeinsam mit meinem Sohn erringen und feiern konnte, denn in Bad Ragaz war Marcos als Caddie an meinem Bag.

Wieviel hat Marcos zum Sieg beigetragen?
Mein Sohn ist der Einzige, der wirklich weiss, wie wichtig dieser Sieg in Bad Ragaz für mich ist! Marcos weiss, wieviel Zeit und Herzblut ich in mein Comeback investiert und wieviel Lebenszeit ich diesem Spiel gewidmet habe. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, mit Marcos am Bag zu gewinnen.

Sie haben beim Swiss Seniors Open 2019 weder nach der ersten, noch nach der zweiten Runde geführt, sondern erst im Verlauf der Finalrunde die Spitze übernommen. Wann haben Sie an Ihren Sieg geglaubt?
Ich bin am Sonntag zwar nicht grossartig in die Runde gestartet, aber ich bin immer zuversichtlich, wenn ich auf den Platz gehe –erst recht, wenn die Führenden nur drei oder vier Schläge voraus und noch neun Löcher zu spielen sind. (lacht) Ein Gedanke hat mich an diesem Finaltag begleitet: «Weiterkämpfen!». Wenn man so will, war dieser 7. Juli 2019 mein Glückstag. Ein grosses Dankeschön deshalb an all die Menschen, die an mich geglaubt und mich begleitet haben und mir dabei so viel Sympathie und Liebe entgegenbrachten. Aber zurück zur Frage: Als ich auf der 16, dem letzten Par 5 des Parcours, eine gute Birdiechance ausliess, sah ich meine Siegchancen kurzzeitig sinken; zumal Peter O’Malley das Birdie spielte. Mein direkter Konkurrent um den Turniersieg war zu dem Zeitpunkt aber Peter Baker im Flight vor uns und er kassierte gleichzeitig auf der 17 ein Bogey, was mir wieder eine Chance auf den Sieg eröffnete. Ich konnte dann mit zwei Schlägen Vorsprung etwas entspannter auf die letzte Bahn gehen. Diesen Vorsprung hatte ich vor Augen, als ich den Ball aufs letzte Grün spielte; als er dort sicher lag, sah ich meinen Sieg kommen.

Erinnern Sie sich an Ihre Gedanken und Emotionen direkt nach dem Sieges-Putt?
Das war ein ganzes Feuerwerk von Emotionen – Freude, Tränen und Stolz, dass ich das Swiss Seniors Open 2019 gewonnen habe! Ich wusste natürlich auch, dass dies viel mehr war als «nur» ein Turniersieg. Ich hatte ab sofort wieder einen fixen Startplatz auf einer europäischen Tour und damit mein Ziel erreicht! 

Sie sind nach Horacio Carbonetti der zweite Argentinier, der in Bad Ragaz gewinnen konnte. Was bedeutet das für Sie?
Es ist natürlich eine grosse Ehre, als zweiter Argentinier nach Horacio Carbonetti in Bad Ragaz zu gewinnen. Es ist immer eine grosse Freude, wenn ein Argentinier ein Turnier gewinnt, aber um ehrlich zu sein, es ist noch befriedigender, wenn ich dieser Argentinier bin. (lacht) Als ich jünger war, habe ich auf der European Tour gewonnen. Dass ich jetzt auch auf der Legends Tour gewinne, macht mich stolz. Ich freue mich darauf nach knapp drei Jahren im Juli 2022 wieder in Bad Ragaz ins Clubhaus zu kommen und dann meinen Namen zusammen mit dem meines argentinischen Freunds Horacio auf der Siegertafel des Swiss Seniors Open zu sehen.

Carbonetti hat 2004 seinen Titel erfolgreich verteidigt. Sie mussten pandemiebedingt lange warten, wollen aber 2022 sicher auch in dieser Hinsicht in Horacios Fussstapfen treten. Fühlen Sie sich fit, um in Bad Ragaz nochmals zu gewinnen?
2020 wäre ich definitiv bereit gewesen, den Titel erfolgreich zu verteidigen. (lacht) Dann aber ist die ganze Legends-Tour-Saison der Pandemie zum Opfer gefallen. In Argentinien haben wir Professionals dennoch versucht so häufig wie möglich Turniergolf zu spielen – Ein-Tages-Events und ProAms. Das hat mir geholfen im Turniermodus stark und fit zu bleiben. Im Oktober 2021 konnte ich auf der Legends Tour bei der Titelverteidigung in Österreich einen zweiten Platz erspielen – ich werde also zuversichtlich in die neue Saison starten. 

Wie fühlen Sie sich in der Rolle des Titelverteidigers?
Wenn ich daran denke nach Bad Ragaz zurückzukehren, im Golf Club Bad Ragaz zu Gast zu sein, das Team des Clubs und die Zuschauer wiederzusehen, dann werde ich ganz aufgeregt. Ich werde auf jeden Fall versuchen, den Titel zu verteidigen. Und kann es kaum erwarten, bis es soweit ist. Ganz ehrlich, es fühlt sich an, als würde ich mit gepackten Koffern und dem Driver in der Hand hier stehen, bereit zum ersten Abschlag zu schreiten und die erste Bahn zu spielen… (lacht schallend)

Sie hatten vor Ihrem Comeback-Sieg beim Swiss Seniors Open eine lange Durststrecke. Ihr letzter grosser Turniersieg auf der PGA Tour datiert im Oktober 2001. Was ist in den Jahren dazwischen «passiert»?
Da war viel Pech dabei. Ich habe mir Anfang 2002 die Hand gebrochen, diese Verletzung hat mich lange behindert. Zwischen 2009 und 2013 konnte ich überhaupt nicht spielen, war von der Tour als «verletzt» geführt. Aber ich war immer überzeugt, mit harter Arbeit wieder auf einem Level Golf spielen zu können, der es mir erlaubt, Turniere zu gewinnen. Mein Sieg in Bad Ragaz ist der Beweis, dass ich Recht hatte. Nach meiner Verletzung spielte ich noch einige Jahre auf der PGA Tour und der Champions Tour, aber leider mit wenig Erfolg. In jener Phase erinnerte ich mich an den Anfang meiner Karriere, an die Zeit auf der European Tour. Es sind gute Erinnerungen und ich habe aus jener Zeit einige gute Freunde in Europa. Während meiner Rekonvaleszenz motivierte mich vor allem der Gedanke an Europa und die europäische Tour – ich wollte gesund werden und wieder Wettkampfgolf spielen.

Sie werden am 14. August 59 Jahre alt, jedes Jahr drängen «jüngere» Senioren auf die Legends Tour. Wie hart müssen Sie an Ihrer Fitness und an Ihrem Golfschwung arbeiten, um konkurrenzfähig zu bleiben?
Ich gehe dreimal pro Woche ins Fitnessstudio, um stark und fit zu bleiben. Ich habe ein grosses Vorbild, wenn es darum geht, als Golfer mit zunehmendem Alter konkurrenzfähig zu bleiben: Mein Landsmann Vicente Fernandez. «Chino» ist mittlerweile 76 Jahre alt und gewinnt auf der argentinischen Tour noch immer Turniere. Er zeigt «uns Jüngeren», wie man auf und neben dem Platz hart arbeitet. Fitness ist in unserem Beruf essentiell, nur um auf dem Platz gut zu performen; sie hilft auch die vielen Reisen, die eine Saison auf der Legends Tour mit sich bringt, zu bewältigen.

Wie anstrengend ist das Reisen zwischen Ihrer Heimat Argentinien und Europa?
Ich will nicht lügen: Es ist sehr anstrengend. Nicht nur wegen des Langstreckenflugs von Argentinien nach Europa, auch die Anschlussflüge, das stundenlange Warten, die Weiterreise mit Zug, Bus oder Mietwagen bis an den Turnierort zehren. Ich will aber nicht klagen, ich bin dankbar und glücklich auf der Legends Tour um so gutes Preisgeld spielen zu können. Denn auf unserer nationalen Tour in Argentinien gibt es kaum Geld zu verdienen, oft deckt der Siegercheck nicht einmal die Spesen. Wenn ich von einer langen Europareise nach Hause zurückkehre und meine Familie wiedersehe, sind aber alle Strapazen und Anstrengungen vergessen. Dann essen wir unser typisches argentinisches BBQ namens «Asado» und trinken mit unseren Freunden Mate-Tee. (lacht) 

 

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