Schaufeln für die Show

Er war semi-professioneller Fussballer und schuftete drei Jahre lang als Arbeiter im «Chunnel», dem Eisenbahntunnel unter dem Ärmelkanal zwischen Grossbritannien und Frankreich. Später aber startete er auf der Legends Tour voll durch und lebt jetzt seinen Traum: die einzigartige Laufbahn von Peter Wilson im Portrait.

Diverse Jugendkader, Amateurkarriere, Schritt ins Profilager – so sieht ein «gewöhnlicher» Weg zur professionellen Golfkarriere aus. Dass es aber auch anders laufen kann, zeigt der Engländer Peter Wilson, den man getrost als Spätzünder bezeichnen darf. Mittlerweile trumpft Wilson mit absoluten Top-Ergebnissen auf der Legends Tour auf. In Bad Ragaz sorgt er seit seiner Ankunft zu Wochenbeginn mit seinem fröhlichen Wesen und strahlenden Lachen für gute Laune. Bis es soweit war, schuftete der 55-Jährige allerdings ganz unten – und das im wahrsten Sinn des Wortes.

Tunneljob für die Familie
«Meine ersten Erfahrungen als professioneller Golfer habe ich mit 25 Jahren auf der südafrikanischen Sunshine Tour gesammelt. Davor hatte ich keine echte Amateurkarriere. Ich habe ganz gut Golf gespielt und deshalb gedacht, dass ich bereit für eine Karriere als Pro wäre – ich war damals aber schlicht und einfach nicht gut genug für die European Tour», erzählt Wilson. So musste der dreifache Vater anderweitig tätig werden, um seine Familie versorgen zu können.

Seine semi-professionelle Laufbahn als Fussballspieler musste er aufgrund einer Verletzung im Alter von 26 Jahren beenden. Mit dem Verein Deal Town gewann er immerhin die «FA Vase», das Amateur-Equivalent zum grossen FA Cup. Danach baute er auf seine handwerklichen Fähigkeiten.
«In England wurden damals viele Arbeiter für den ‹Chunnel›  – den Eisenbahntunnel zwischen Folkestone in Kent und Coquelles bei Calais – gesucht. Die Arbeit wurde wirklich sehr gut bezahlt, und so habe ich drei Jahre lang eben ein paar Steine für diesen Unterwasser-Tunnel verlegt», lacht der Engländer.
Diese Zeit sowie die Erziehung seines Vaters trugen auch massgeblich zu Wilsons mentaler Stärke bei, die ihm heute im Golfsport hilft: «Mein Vater war hier wirklich entscheidend in der Entwicklung meiner Einstellung. Er hat mir beigebracht, niemals aufzugeben – und das ist heute meine grösste Stärke!» So versuchte es Wilson nach einer achtjährigen Pause ab 2009 wieder mit Golf und sammelte dabei wertvolle Erfahrung. Seit 2017 ist er auf der Legends Tour aktiv – und auch erfolgreich.

Erfahrung kann man nicht kaufen
«Jetzt lebe ich den Traum, für den ich als junger Golfer einfach noch nicht gut genug war. Ich spiele gemeinsam mit wahren Legenden, zu denen ich damals noch ehrfürchtig aufgeschaut habe», sagt Wilson. Doch selbst auf der Legends Tour muss er sich ständig weiterentwickeln, wie er selbst erklärt: «Meine Laufbahn ist in dieser Form sicher einzigartig im professionellen Golfsport. Als ich auf der Legends Tour begann, war ich noch ein ‹Lehrling› und musste erst lernen, wie man auf solchen Plätzen und mit solchen Gegnern spielt, wie man punktet, wie ich meine Chancen bekomme und diese auch nütze.»

Der 55-jährige Wilson: «Wenn man sich diese Spieler anschaut – beispielsweise einen Markus Brier, der von der Alps Tour an auf jeder Ebene gewonnen hat –, dann musste man eines ganz schnell begreifen: Erfahrung kann man nicht kaufen!» So ist Wilson der Überzeugung, dass bei seinen ersten Turnieren abwechselnd der Golf-Pro und der Bauarbeiter in ihm aufteeten: «An einem Turnier war ich der Golfer und erkämpfte mir Plätze in den Top-Ten, beim nächsten Turnier war ich wieder der Baumeister, spielte fürchterlich und landete auf Position 50 – ich musste viel lernen und hart an meinem Spiel arbeiten, vermutlich härter als es meine Kollegen in diesem Alter noch tun müssen.»

Nun ist Wilson aber endgültig auf der Tour angekommen, wie dritte Plätze in der Saison 2021 in Irland und Italien eindrucksvoll belegen. Die Marschrichtung für 2022 ist klar: «Ich bin in guter Form, habe zu Beginn der heurigen Saison auch schon ein kleineres Turnier in Südafrika gewonnen, das zwar nicht so stark besetzt war, aber auf einem sehr schweren Platz gespielt wurde. Ich habe dennoch gesamt zwölf unter Par gespielt und mit sechs Schlägen Vorsprung gewonnen. Das hat Lust auf mehr gemacht. Das Ziel ist also ganz klar mein erster Sieg auf der Legends Tour, auch wenn ich natürlich weiss, wie schwer das gegen diese fantastischen Gegner sein wird!»

Es wäre eine besondere Geschichte, würde Peter Wilson ausgerechnet am Swiss Seniors Open seinen ersten Sieg auf der Legends Tour feiern.

 

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